´noise reduction: off´



KünstlerInnen: Manuel Knapp, Haroon Mirza, Billy Roisz/Toshimaru Nakamura
Ausstellungskonzeption: David Komary

Die Welt wird nicht als ein Ganzes von Körpern 'im' Raume, noch als ein Geschehen
'in' der Zeit definiert, sondern sie wird als ein 'System von Ereignissen' genommen.
(Ernst Cassirer)

Die Ausstellung noise reduction: off konstelliert drei künstlerische Positionen, die sich mit operativ geschlossenen bzw. rückgekoppelten Mediensystemen (Feedbacksystemen) auseinandersetzen. Störungen, Interferenzen, mediale Artefakte sowie visuelles und akustisches Rauschen (Noise) bilden die formalen Konstituenten der experimentellen Ästhetiken. Noise reduction: off greift damit die Thematik zeichenhafter Übertragung und Übersetzung der Ausstellungen accept all cookies und sonic zoom1 auf, fokussiert zudem jedoch explizit die möglichen intermedialen Korrespondenzen und Koppelungen von Bild und Ton. Es sind die synästhetischen Verbindungen und ästhetischen Interferenzen zwischen Akustischem und Visuellem, die nun in den Vordergrund treten.
Der eigentliche, wenngleich stets unsichtbare 'Beobachtungsgegenstand' wird gebildet von der wechselseitigen Umcodierung visueller und akustischer Daten sowie deren möglicher struktureller Verschaltung. Interessant sind nicht die 'Resultate' der Maschinen oder Programme, sondern deren intrinsische Prozesse der Übertragung und Transkodierung, schlicht: die Konvertierbarkeit von Information über die spezifischen Mediengrenzen hinaus.

Genauer betrachtet bildet sich eine Doppelthematik, deren Stränge diskursiv ineinandergreifen: zum einen die Thematisierung geschlossener audiovisueller Systeme in den Positionen Mirzas und Roisz', zum anderen die Subversion eines digitalen Bildraumsystems bei Knapp, der durch das Überschreiten von Schwellenwerten das Programm gegen sich selbst arbeiten lässt. Knapp, Mirza und Roisz suchen nach Umschlagphänomenen, Differenzen sowie möglichen Synthesen unabhängiger Medienkanäle und -dispositive. Die KünstlerInnen beobachten Medien in Selbstüberschreitung und im Selbstwiderspruch: gerade die Grenzen der Wahrnehmung – das gerade noch Sichtbare, das eben nicht mehr Hörbare – sind von Interesse. Die Ästhetik konstituiert sich experimentell als eine Ästhetik des Fehlerhaften, der Dysfunktion und des medialen Rauschens. Formen expliziter videographischer Abstraktionen bei Knapp und Roisz stehen dem readymadeähnlichen Circuit-Bending-System2 von Haroon Mirza gegenüber.

Die verbindende Frage der unterschiedlichen experimentellen Ansätze lautet: wie können geschlossene Systeme – hier: ästhetische Systeme – Offenheit erlangen? Die KünstlerInnen suchen dies mittels strukturellen Koppelungen und durch Steigerung der Irritationsfähigkeit des jeweiligen medialen Komplexes zu erreichen.3
Die einzelnen Arbeiten lassen sich jenseits technizistischer Affirmation als selbstreferentielle Befragungen der Bild-/Tonsysteme lesen. Die KünstlerInnen verweisen in experimentellen Analysen auf die Verfasstheit des Mediums; von Interesse ist stets seine Materialität, die medialen Spezifika und Systemgrenzen, nicht die Idealität des einen oder anderen Mediums.4
Kognitionstheoretisch betrachtet verweisen die audiovisuellen Analysen und Experimente auf die mediale Bedingtheit jeglicher Wahrnehmung. Knapp, Mirza und Roisz befragen nicht allein Medienkanäle oder -systeme, sondern zugleich auch stets die eigenen 'Wahrnehmungskanäle' ob ihrer Grenzen. Sie zielen darauf, das eigene Sehen sichtbar, das eigene Hören hörbar machen.5 Die einzelnen Medien stehen hierbei in einem dialektischen Verhältnis zueinander: erst in der Übertragung und der daraus resultierenden Beobachtungsdifferenz zum eigenen Systemraum wird das Medium als solches beobachtbar bzw. reflektierbar. In dem Moment, in dem sich der Beobachter seines eigenen Standpunkts als Teil der Beobachtung bewusst wird, wird die eigene Wahrnehmung als „Produkt einer Schrift, einer Temporalisierung und einer Sozialisierung"6 beobachtbar.

Manuel Knapp betreibt in seinen Animationen die Subversion eines zuvor festgelegten bild- bzw. tongenerierenden Systems: das Ausreizen von Schwellenwerten sowie die Dysfunktionen des Programms bilden das eigentliche 'Material' des Künstlers. Knapp wendet das Programm bzw. die informationsverarbeitende Maschine gegen sich selbst. Jenseits jeglicher konstruktiver Intention arbeitet der Künstler mit der Festlegung bzw. Programmierung bildgenerierender Parameter, die er anschließend zu unterwandern sucht. Er untersucht das Off des jeweiligen Programms – im Sinne eines visuellen und auditiven Wahrnehmungsdispositivs – und fragt damit auch implizit nach den Grenzen der Wahrnehmung selbst.
In der Animation distorted areas arbeitet der Künstler in beiden Medienkanälen – Bild und Ton – mit Verzerrungsfiltern, die das Signal oft bis zur Unkenntlichkeit verfremden. Auf visueller Ebene wird ein simuliertes dreidimensionales Objekt, ein Würfel, mit einer komplexen Textur (Bitmap) überzogen. Zudem versieht der Künstler das Objekt mit einem Verzerrungs-, einem sogenannten Hitzefilter, der zur Simulation des Eindrucks aufsteigender heißer Luft in illusionistischen Animationen verwendet wird. Doch geht es Knapp nicht um das Durchspielen vorprogrammierter Effekte und Filter, sondern um die Momente, in denen sich das Programm als Simulationsmaschine selbst ad absurdum führt und gänzlich amimetische Sichtbarkeiten erzeugt. Die Bitmap-Struktur interferiert mit dem Verzerrungsfilter, die räumlichen Referenzen beginnen sich in einem Kontinuum ästhetischer Mikrostrukturen aufzulösen. Knapp programmiert zudem den Blickpunkt – den virtuellen Kamerastandpunkt der Animation – möglichst nahe dem Objekt, mehr noch, er dringt via Digitalzoom ins Objekt ein, sodass jegliche räumliche, jede triaxiale Referenz des Würfels verloren geht. Der Bildschirm wird zu einer Zone der Transfiguration, einer Zone komplexer Übergänge, die keinerlei formlogische Struktur oder orthogonale Ordnung erkennen lässt. In den Permutationen der Strukturen werden räumliche Momente nicht erkannt – sie werden hineingelesen. Der Betrachter sieht sich dem Objekt weniger gegenüber, als dass er sich wiederfindet in diesem von unterschiedlichen mikroästhetischen Strukturen durchdrungenen 'Objekt'. Dieser simulierte Nahraum generiert sich aus Schichten unterschiedlicher Dichtheitsgrade und Komplexitätsniveaus stets von neuem: ein relational-prozessuales Raumgefüge in ständigem Wandel.
Knapp erzeugt Noise auf akustischer wie auf visueller Ebene. Bild und Ton sind hierbei nicht synchronisiert, sondern teilen vielmehr eine grundsätzliche strukturelle Affinität zu Störung und Rauschen. Der Künstler untersucht in beiden Medienkanälen Phänomene des Umschlagens von Information in Störung und evoziert audiovisuell Bereiche kognitiver Unbestimmtheit. Es formiert sich ein ästhetischer Möglichkeitsraum, in dem mikrostrukturelle Komplexität von Rauschen oft nur schwer zu unterscheiden ist. Dieses Ausloten der Differenzen zwischen Information und Hintergrundrauschen konfrontiert den Betrachter bzw. Hörer mit der Bedingtheit der eigenen Wahrnehmung. Knapps audiovisuelles und interferentielles Dispositiv verweist auf die konstitutiven Bedingungen und perzeptiven Subroutinen der Wahrnehmung. Das Ausloten dieser Grenzen führt zu einer Kontingenzerfahrung von Wirklichkeit, Wahrnehmung erscheint als kontinuierliche Konstruktionsleistung des Gehirns, das unablässig kognitive Wirklichkeiten konstituiert, moduliert und (im Sinne von Anpassung) modifiziert. Jegliche Gewissheit eines ordnenden, auktorialen Sehens und Hörens wird in diesem audiovisuell-experimentellen Mediendispositiv relativiert und dissoziiert. Stets sind auch andere Wahrnehmungen im Sinne neuer (syn)ästhetischer Koppelungen und Interferenzen möglich und denkbar.

Ab wann mündet eine komplexe Struktur in Rauschen, oder umgekehrt, wie entsteht vor dem Hintergrund des Rauschens Information? Die Frage müsste für die objekthaft-installative Arbeit Nightlight FM von Haroon Mirza modifiziert werden: wie verhält sich die Regel zum Chaos und ab wann lässt sich aus (vermeintlichem) Chaos Strukturiertheit und Ordnung herauslesen?
Informationstheoretisch betrachtet tritt ein organisiertes Signal immer vor einem nichtorganisierten Hintergrund, dem Geräusch, auf. Morphologisch existiert kein Unterschied zwischen Geräusch/Störung und Signal, der Informationsgehalt ist nichts anderes als das Maß der Komplexität. Die Bedeutung einer Information beruht auf kulturellem Übereinkommen und Konventionen, ob in Übereinstimmung oder in Differenz.7
Mirza fragt, wenn auch in gänzlich unterschiedicher Weise als Roisz und Knapp, nach der Übertragbarkeit bzw. den möglichen Korrespondenzen von auditiven und visuellen Signalen. Doch ist bei Mirza eine weitere medial-ontologische Schicht vorgelagert: in der Installation Nightlight FM lässt Mirza Wasser, das in einen alten Abfalleimer gefüllt wird, mittels eines Verdampfers kondensieren. Diesen molekularen Übergang vom flüssigen in den gasartigen Aggregatzustand sucht Mirza medial zu 'übersetzen': er installiert einen Tonabnehmer, der von den teils flüssigen, teils verdampfenden Wassertropfen getroffen, die Impulse an einen Lichtsensor überträgt. Dieser macht die 'Frequenz' des Verdampfens als stroboskopartige Lichtfolge sichtbar. Der Sensor wiederum ist an einen Radioempfänger angeschlossen. Entsprechend der 'Frequenz' der verdampfenden Wassermoleküle werden Lichtsensor und Radiosignal aktiviert. Es bildet sich ein einfaches, jedoch intermediales Übertragungsprozedere, das den molekularen, 'natürlichen' Übergang des Wassers von flüssig zu dampfartig in mehrere mediale Kanäle übersetzt und somit wahrnehmbar macht
Mirza baut ein Closed-Circuit-System aus Wasser, Licht und Sound, ein selbststeuerndes Instrument – zur Beantwortung der Frage: Wie klingt Verdampfen? Rauschen, langsamer/schneller Beep und Stille sind, in Korrespondenz zu vier unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Lampe, die einzigen klanglichen Ereignisse des Radios. Die gelungene intermediale Übertragung mündet dennoch in Dysfunktion, in einen nicht 'informierten', semantisch unbestimmten Klang. Die Übersetzung oszilliert zwischen White Noise und klanglichem Off.
Die Übertragungsvorgänge von 'Wirklichkeit', das Kondensieren des Wassers ins primäre Übersetzungsmedium Licht sowie in das Sekundärmedium Sound, erscheinen dabei weder linear noch zufällig, vielmehr bildet sich ein System, das zwischen Chaos und Ordnung schwankt.8 Ein in sich geschlossener Kreislauf, in dem Ursache und Wirkung verschwimmen und lineare Folgerichtigkeit in zirkuläre Kausalität übergeht. Natürlichkeit und mediale Vermitteltheit (Künstlichkeit) stehen bei Mirza folglich in keinem oppositionellen, sondern einem wechselseitigen Verhältnis. Er verweist damit auf die Vermitteltheit jeglicher Wahrnehmung und fasst Wirklichkeit per se als kognitive Übersetzungs- und Konstruktionsleistung. Es ist also nicht das 'übersetzte' oder zu übersetzende Außen, auf das die ironisch-installative Versuchsanordnung abzielt, sondern die Wahrnehmung selbst, also das Verhältnis von kognitiven und apparativen Systemen von- und zueinander. In dieser Inszenierung des Medialen bricht Mirza nicht nur „mit der Referenz auf das Natürliche, sondern auch mit dem Konzept des ästhetischen Objekts als einer raumzeitlich eindeutig identifizierbaren Struktur"9.
Der Nebel des verdampfenden Wassers bildet hierbei vielleicht eine ironische Metapher für die Kontingenz und die 'bestimmte Unbestimmtheit' ästhetischer Wahrnehmung. Wirklichkeit erscheint – hierin liegt eine Gemeinsamkeit mit Knapp – keineswegs als ontologische Gegebenheit, sondern als Verhandlungsgegenstand jeder neuen Wahrnehmung. Nicht in einer Wirklichkeit lässt sich die Welt erfahren oder beschreiben, sondern in einer Vielheit der „Weisen der Welterzeugung"10. Der Dampf bzw. Nebel – als Metapher für die Unschärfe des Erkennens – verweist auf jenen Unbestimmtheitsbereich, der ästhetischer Wahrnehmung stets immanent ist und der aus ästhetischer Perspektive ihr Faszinosum im Sinne eines perzeptiven und epistemologischen Möglichkeitsraums ausmacht.

Das Ausgangsmaterial der audiovisuellen Übertragungs- und Übersetzungsvorgänge im Video Couchette von Billy Roisz bilden perpetuierte Signale, die, einmal in den Regelkreis des Videosynthezisers eingeschleust, durch keinerlei externe Signale und Informationen gestört bzw. modifiziert werden. In Zusammenarbeit mit Toshimaru Nakamura (Sound) in der Formation AVVA speist Roisz das Sound-Signal Nakamuras in ihr analoges Videomischpult ein und macht es zur Grundlage einer videographischen Echtzeitkomposition. Einzig das Kolorit der Bilder wird von Roisz in vertikal-zeitlicher Korrespondenz zu den latenten und liminalen Tonhöhen- bzw. Klangfarbenmodulationen Nakamuras festgelegt und sukzessive variiert.
Der Sound Nakamuras, generiert mittels des selbstentwickelten No-Input Mixing Boards, beruht explizit auf analogen Rückkoppelungen; auch Nakamura arbeitet im Kontext seines Mediums stets selbstreferentiell, das heißt ohne externe Impulse, Signale oder Referenzen. Seine elektroakustische Musik bildet nicht ab, wiederholt keinerlei strukturell eingeübte und reproduzierte Wahrnehmungsschemata, sondern zielt einzig auf die Medialität des Hörens selbst. Sie macht sowohl das ästhetische Ereignis wahrnehmbar wie zugleich ihre eigenen Bedingungen und Bedingtheiten. Somit macht sie beides zum Thema, „den Gegenstand [des Hörens] und unsere Möglichkeit des Zugangs zu ihm"11. Wenn Nakamuras auditive Schleife das Primärmedium als geschlossenes System erster Ordnung darstellt, so formiert sich in der audiovisuellen Verschränkung und Synchronizität mit Roisz' videographischem Bildkontinuum ein intermedialer Closed Circuit größerer Komplexität und höherer Ordnung.
Die Hermetik der einzelnen medialen Teilsysteme (Bild und Ton) sowie die technologische Einfachheit der analogen Übertragung bzw. Übersetzung des Soundsignals in visuelle Daten stehen dabei in einem dialektischen Verhältnis zur Potentialität und Komplexität der ästhetischen Ereignisse: der synästhetischen Interferenzen und perzeptiven Verbindungen zwischen Bild und Ton im Wahrnehmungsvollzug.

Die ikonische Struktur des Videos Couchette ist denkbar einfach verfasst. Anfangs sieht man einen gelben, horizontalen Balken, umgeben von einer schwarzen Fläche. Das Bild bleibt nahezu unverändert, einzig die Ränder des Balkens zum angrenzenden 'Umgebungsraum' bilden mikrostrukturelle Korrespondenzen zum Soundsignal Nakamuras: die Ränder verschieben sich minimal, fransen aus, verschwimmen. Zwangsläufig ergibt sich der Eindruck eines Stroms, eines vorbeiziehenden Kontinuums. Im Verlauf der Echtzeitkomposition verändert sich jedoch der Aufbau des zu Beginn einfach strukturierten Bildgevierts. Der Balken beginnt sich – entsprechend der Frequenzmodulationen Nakamuras – in ein heterogenes Geflecht aus horizontalen Linien zu zerteilen. Das Bild wird zu einem „lebendigen und dynamischen Energiefeld, einer Schwingung"12. In ihrer Referenzlosigkeit und dezidiert amimetischen Bildlichkeit evoziert Roisz dennoch eine beinahe immersive Bildwirkung. Man befindet sich in einem imaginären Bildraum, der sich nach eigenen, nicht vorhersehbaren und nicht näher bestimmbaren Gesetzmäßigkeiten fortzuschreiben scheint. Jenseits von räumlicher Euklidik oder chronologischer Reihung der ästhetischen Ereignisse formiert sich eine abstrakte, eine 'imaginäre Bildräumlichkeit'13, die einzig auf die Logiken und Immanenzen der programminternen Routinen rückverweist. Das Grundmuster des Instantanen und der Simultanität in diesem audiovisuell evozierten, imaginären Bildraumkontinuum bricht mit der kausalen Logik zugunsten von medialen Effekten bzw. 'Resonanzen'. In diesen „Resonanzverhältnissen korrespondieren verschiedenste Pole auf unterschiedlichste Art und Weise miteinander, mit nicht immer vorhersehbarem Ergebnis"14.

Knapp, Roisz und Mirza befragen die Medienkanäle Bild und Ton ob ihrer Interferenzen und Differenzen. Die KünstlerInnen zielen dabei nicht auf ideale Form oder Komposition, sie suchen nach Ungereimtheiten, Brüchen, Fehlern. Vielleicht nach ästhetischen Momenten, die auf das verweisen, was in der Übertragung verloren geht, nicht intermedial übertragbar, nicht medialisierbar ist. In allen drei ästhetischen Praktiken konstituieren sich – aufgrund der simultan-sukzessiven Wechselwirkung von auditiven und visuellen Wahrnehmungsereignissen – Unbestimmtheitsstellen in den perzeptiven Abläufen und Wahrnehmungslogiken. Gerade in der intermedialen Verweisstruktur der Wahrnehmungen, in den unvorhersehbaren Synthesen bzw. Synästhesien zeigt sich die Labilität von Wahrnehmung selbst. „Sobald ein bestimmter Grad an Verformung überschritten ist, verweist sie [die Wahrnehmung] uns vielmehr auf unseren eigenen Blickpunkt zurück."15 Diese audiovisuelle Bildräumlichkeit konstituiert einen offenen topologischen Raum aus Bewegungs- und Energieströmen. Hier wird Raum – rezeptionsästhetisch betrachtet – als relationales Gefüge ohne feste Orientierungspunkte erfahrbar. Als ein System von Ereignissen. In dieser Unbestimmtheit und Aleatorik der ästhetischen Ereignisse gewinnt ästhetische Erfahrung an neuer Bedeutung, denn auf „Ästhetik stellen wir immer dann um, wenn wir wissen, dass etwas stimmt, ohne eine Ahnung zu haben (und haben zu wollen), warum es stimmt. Ästhetik ist in unserer nachdenklich gewordenen Postmoderne ein insofern epistemologisch präzises Substitut für Kausalität, den Gründungsgedanken der Wissenschaft der Neuzeit."16

David Komary



1 Vgl. Katarina Matiasek: sonic zoom, im gleichnamigen Katalog zur Ausstellung, Wien: dreizehnzwei 2006.
2 Circuit Bending bezeichnet die gezielte Manipulation, Modifikation sowie den Kurzschluss klangerzeugender elektronischer Schaltkreise und Systeme.
3 Vgl. Dirk Baecker: Wozu Kultur? Berlin: Kadmos 2000, S. 120.
4 Vgl. Abraham A. Moles: Materialität der Kommunikation. In: Ders.: Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung,. Köln: DuMont 1971, S. 256.
5 Vgl. Dirk Baecker: Wozu Kultur?, aaO, S. 137.
6 Dirk Baecker: Kopfhörer. Für eine Kognitionstheorie der Musik. In: Soundcultures. Über elektronische und digitale Musik. Hg. v. Marcus S. Kleiner und Achim Szepanski. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2003, S. 146.
7 Vgl. Abraham A. Moles: Unsicherheiten der Wahrnehmung. Geräusch. In: Ders.: Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung. Köln: DuMont 1971, S. 115-120.
8 Lev Manovich: Abstraktion und Komplexität. In: Abstraction Now, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Graz: Edition Camera Austria 2003, S. 43.
9 Frank Hartmann: Instant awareness. Eine medientheoretische Exploration mit McLuhan. In: Soundcultures. Über elektronische und digitale Musik. Hg. v. Marcus S. Kleiner und Achim Szepanski. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2003, S. 40.
10 Vgl. Nelson Goodman: Weisen der Welterzeugung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1984.
11 Vgl. Dirk Baecker: Kopfhörer, a.a.O., S. 145.
12 Maurizio Lazzarato: Videophilosophie. Zeitwahrnehmung im Postfordismus. Berlin: b_books 2002, S. 72.
13 Vgl. Ingo Nussbaumer: Die Idee des Bildes, Wien: Edition Splitter 2002, S. 131ff.
14 Frank Hartmann: Instant awareness, a.a.O., S. 44.
15 Ernst Cassirer: Mythischer, ästhetischer und theoretischer Raum. In: Raumtheorie. Hg. v. Jörg Dünne und Stephan Günzel. Frankfurt a. M., Suhrkamp 2006, S. 486.
16 Dirk Baecker: Kopfhörer, a.a.O., S. 141.